Riesenmaschine

31.01.2007 | 01:18 | Zeichen und Wunder | Vermutungen über die Welt

Die totale Versymbolung von allem


Eine Art eingebautes Verfallsdatum (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Im letzten Jahrtausend schrieb der Wortkomponist Max Goldt von der Beschriftung der Bevölkerung und meinte Textiltexte. Diese Beobachtung erhält inzwischen einen gesamtkulturellen Kontext: Der Mensch scheint dazu zu neigen, alles ihn umgebende Zeug semiotisch vollzusauen. Im Verbund mit einem Beherrschungsdrang ist uns Greiffenhagens Wort "Wer die Dinge benennt, beherrscht sie" offenbar ins Genset gebrannt und zur Sicherheit flanschen wir zusätzlich zur Benennung noch eine Handvoll Symbole dran. Und zwar immer überaller; hier wird auf Äpfeln frohe Weihnacht gewünscht, immerhin, es könnte auch iPod-Werbung sein. Zeichen sind auf Bäumen ebenso zu finden wie sie mit Bäumen konstruiert werden oder mit Gebäuden, es ist schwer, überhaupt unbeschriftete Waren im täglichen Konsumverkehr zu entdecken. Design- und Zeichenexperte Ezio Manzini (Minimal-Blogger mit einem soliden Schnitt von drei Postings pro Jahr) spricht von "semantic pollution", die Antikommunikationsguerilla träumt von Brillen, die Zeichen wie Werbung ausblenden.

Muss man also die Allgegenwart der Zeichen verdammen? Nicht unbedingt. Grosssemiot Umberto Eco, der Mann mit den meisten Ehrendoktorwürden (31), verspricht Rettung nur derjenigen Zivilisation, die Zeichen zur kritischen Reflexion einsetzt statt als quasihypnotischen Ablenkmechanismus. Wir schliessen daraus: Wenn nächstes Jahr auf Supermarktäpfeln Revolutionsparolen zu lesen sein werden, geht die Welt nicht unter. Sonst leider doch.


Kommentar #1 von Weltenweiser:

Apropos Supermarkt und Revolution. Ich finde es schon recht seltsam, dass Lieder, die als konsumfeindliche Vorzeigehymnen dienten, heutzutage einen im Supermarkt beim Einkaufen berieseln. Max Gold tist übrigens gerade auf Lesetour und wer ihn im Berliner Ensemble verpasst hat, muss sich zwar keinen Strick nehmen, aber ein Seidenschaal wäre schon angebracht.

31.01.2007 | 08:34

Kommentar #2 von Lars Weisbrod:

Nein, das stimmt alles nicht. Die Beschriftung aller Dinge ist das Zweitschönste, was es auf der Welt gibt. Von einer Schokoriegelverpackung, auf der nicht mindestens vier Zeilen Text stehen, fühle ich mich betrogen (sagte mal irgendwer).
Der Bildungswert eines Aufklebers an einer Fussgängerampel unterscheidet sich doch nur graduell von dem eines Thomas-Mann-Buchs. Selbst hier gibt es schon erste Verwischungen, meine Bäckerei druckt vor Weihnachten nämlich immer Trakl-Gedichte auf ihre Tüten.

31.01.2007 | 10:36

Kommentar #3 von Titus Lucretius Vilis:

Da wird Eco aber noch ordentlich ackern müssen,
den Weltrekord im Ehrendoktor-Kriegen hält nämlich
der amerikanische Theologe Theodore Hesburgh mit
150 Titeln
http://de.wikipedia.org/wiki/Theodore_Hesburgh
Ist aber auch 15 Jahre älter als Eco. Als toller
neuer Seniorenjob böte sich an: Doktorhüte sammeln.

31.01.2007 | 15:42

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